Ein komplexes Thema
10.06.2021
Philipp Weckherlin, Public-Governance-Experte und Gemeinderat aus Erlenbach, eröffnete den Anlass mit einem Kurzreferat. Der Staat sei eigentlich eine Zweckgemeinschaft aus Gemeinden, Kantonen und Bund mit genossenschaftlichen Strukturen, wenn man ihn mit der Privatwirtschaft vergleichen würde. Die Gemeinderechnung habe eine hohe volkswirtschaftliche Relevanz. Jeder Steuerzahler kostet die Gemeinde zirka 13’000 bis 14’000 Franken; ohne Finanzausgleich läge der Betrag bei rund 7000 bis 8000 Franken, «so zumindest hier bei uns am See», sagte Philipp Weckherlin.
«Nur 15 bis 20 Prozent der Steuerzahler sind in der Lage, mit ihrem Steuersubstrat diese Kosten zu decken.» Auch gesetzliche Aufträge könnten günstig oder teurer ausgeführt werden. So könne man zum Beispiel ein eigenes Hallenbad bauen oder fürs obligatorische Schulschwimmen auf ein Hallenbad in einer umliegenden Gemeinde zurückgreifen und sich an den Kosten beteiligen. Wichtig sei vor allem, dass man die Staatsquote – das Verhältnis der Staatsausgaben zum Sozialprodukt – im Auge behalte. Diese dürfe nicht ins Unermessliche steigen. Man müsse früh genug reagieren, um das verhindern zu können. Zudem, davon ist Philipp Weckherlin überzeugt, müsse man ein besonderes Augenmerk auf die Bilanz einer Gemeinderechnung legen. Diese würde zu oft ignoriert. Man dürfe und solle kritischer sein und bei den Gemeindefinanzen genau hinschauen. «Zudem sollte das ganze Portfolio betrachtet werden, nicht nur einzelne Budget-Posten», erklärt der Experte.
Die Finanzvorständin gibt Einblick in die Gemeinderechnung
Verena Bergmann-Zogg, Finanzvorsteherin der Gemeinde Meilen, zeigte anschliessend an die Ausführungen von Philipp Weckherlin auf, wie die Rechnung der Gemeinde Meilen geführt wird, wie viel Eigen- und wie viel Fremdkapital zur Verfügung steht und über welches Nettovermögen die Gemeinde Meilen pro Einwohner verfüge. Sie informierte zudem, wie die Bilanz der Gemeinde Meilen aussieht, welche Posten über Gebühren finanziert werden, wo Steuergelder zum Einsatz kommen und in welchen Bereichen Entschädigungsleistungen fällig werden, die mit Leistungsvereinbarungen oder über Zweckverbände organisiert sind.
Die Gemeinde Meilen hat also bereits einige Budget-Posten ausgelagert. Verena Bergmann-Zogg ist überzeugt, dass dies sinnvoll ist. Als Beispiel nannte sie etwa die Infra, ein privates Unternehmen, das für die Gemeinden Meilen und Uetikon die Wasser- und Stromversorgung übernimmt, oder den Verein Fee, der sich um Betreuungsangebote für Kinder kümmert. Mit ihm besteht eine Leistungsvereinbarung.
Angeregte Diskussion
Im Anschluss an die Ausführungen wurde im Jürg-Wille-Saal angeregt diskutiert. Es waren sich alle einig, dass besonders die Staatsquote im Auge behalten werden müsse. Zudem sei es an der Gemeinde Meilen, für Leistungen, die von anderen Gemeinden bei ihr bezogen werden, sinnvolle Beteiligungen zu verlangen. Synergien sollen genutzt werden, es soll aber für beide Seiten fair sein.
Schulpräsidentin Cordula Kaiss gab zudem zu bedenken, dass es Investitionen gebe, die getätigt werden, weil sie ein Bedürfnis der Bevölkerung abdeckten. Natürlich sei es wichtig, die Finanzen im Griff zu haben, man könne aber nicht nur die nackten Zahlen anschauen.
Ebenfalls diskutiert wurde die Handhabung von Rückstellungen für den Finanzausgleich. Während Rückstellungen bis vor Kurzem verboten waren, wurden sie zwischenzeitlich zur Pflicht. Weil nicht jede Gemeinde in der Lage ist, solche Rückstellungen zu tätigen, wurde den Gemeinden die Handhabung wieder freigestellt. Deshalb kann man nicht einfach die Rechnung von zwei Gemeinden miteinander vergleichen.
Man war sich einig: Gemeindefinanzen sind ein komplexes Thema, das mit Sorgfalt behandelt werden muss.
Zweiter Roundtable im Herbst
Die FDP Meilen plant einen zweiten Roundtable im Herbst. Noch ist offen, zu welchem Thema. Inputs und Themenwünsche können direkt beim Vorstand der FDP Meilen angebracht werden.
Fiona Hodel / MAZ